Dietmar Wischmeyers Logbuch

Die süßen Kinder

Schon draußen fällt auf, daß in diesem 400qm LBS- oder BHW-Gehege Kinder gezüchtet werden. Das Grundstück ist übersäht mit schreibunten Plastikteilen jeglicher Größe, an denen noch 10 weitere Generationen ihren Spaß haben werden. über der Haustürklingel klebt ein hellgrüner Knetgummiklumpen mit draufgemanschten Teckelkotwürstchen - Sven-Jonas, Carolina-Anastasia, Inge und Fritz Willumeit-Snork - DingDong.
Ein halbmetergroßer Außerirdischer rast von innen gegen die Tür, reißt sie auf und würgt einen halben Eimer verdauter Klaus-Hipp-Masse auf das Hosenbein des Besuchers. "Hahaha, unser Sven-Jonas kann schon die Tür aufmachen. Ist das nicht toll?" Kein Wort über den süßlich riechenden Glibber auf dem Beinkleid. "Komm doch rein, wir sitzen gerade gemütlich beim Abendbrot." Abendbrot? Zwei in pädagogische Pranger gefesselte Bälger werfen mit Fischstäbchen und spucken Kartoffelbrei durch das Eßzimmer. Auf Mammis Teller steckt ein Matchboxauto mit dem Kofferraum im Ketchup und Papi sieht aus wie Helmut Kohl in Erfurt.
"Setz dich doch." Ein zotteliger Familienköter springt unter der Eckbank hervor und onaniert das Hosenbein in die Altkleidersammlung. "Was haltet ihr denn vom überfall auf die Sowjetunion, heute vor 52 Jahren" versuche ich ein harmloses Gespräch anzufangen. "Pipikacka, pipikacka" prustest es schon aus dem kleinen Sven-Iwan heraus und eventuelle antifaschistische Statements des Herrn Papa ersticken im Magensäureregen teilverdauten Kartoffelbreis. Auch Klein-Carolina-Anabolika war nicht faul, hat sich aus ihrem IKEA-Pranger befreit und einen schönen runden Waldorfschiß auf den Kokosläufer abgeseilt. Kacka-Kacka, kommentiert Sven-Egon sehr richtig und leistet damit zum erstenmal einer korrekten Diskussionsbeitrag.
"So ihr müßt jetzt in die Heia" hör ich noch aus dem Mund des Muttertiers, als ein infernalischer Lärm das Blut in den Adern gefrieren läßt. Sowohl der süße Sveni als auch die niedliche Anna haben sich in die besten Tieffliegerimitatoren verwandelt, die ich je gehört habe. Die kleinen Schreigeneratoren scheinen dreiviertel ihrer Nahrungsaufnahme direkt in Dezibel umzusetzen. "Haha" denke ich schadenfroh, "da wirds gleich aber eins an die Fresse geben". Nichts da. "Wenn ihr nicht sofort ruhig seit" kommt es drohend aus dem Muttermund, dann sperrt der Papi morgen eure Kreditkarten". Stille. Willenlos lassen sich die juvenilen (spelling??) Verbraucher in ihre Zellen abführen. "So, das hätten wir", frohlockt Papi "nur noch ein bißchen saubermachen und aufräumen, dann machen wir uns einen gemütlichen Abend".
Während Papi den Kartoffelbrei von der Rauhfaser kratzt und Mammi mit Kot-Ex über den Kokosläufer schrubbt, verdrücke ich mich heimlich nach draußen und rase mit meinem Auto in die Notsterilisationsaufnahme des Städtischen Krankenhauses.


(Autor: Dietmar Wischmeyer)
(abgetippt von ns)