Der kleine Tierfreund

Ostern

Ein Pudel rast aufgeregt über die Straße, als ob der Teufel in ihm steckte. Im selben Moment gieren die lüsternden Scheinwerfer eines allradgetriebenen Ibuzo Mephisto über den osterlichen Asphalt. Ein letztes Mal läuten die Glocken mit mächtigem Schlag im Kopfe des ehedem vorwitzigen Vierbeiners. Und wenn nur Sekunden später die leere Pudelhülle einsam, auf nacktem Teere ruht, wird des Pudels Kern längst hinausgetragen in die weite Welt, vom mächtigen Profil des japanischen Geländewagens.

Es ist Ostern, liebe Leser. Das Fest der Hoffnung auf eine bessere Welt. Eine Welt zu der man gerade jetzt über den jähen Tod im Strudel des Feiertagsverkehrs leicht Zugang findet. Gerade unserere Freunde, die Tiere, zum größten Teil selbst nur Fußgänger und mit der STVO nicht hinläglich vertraut, wählen gerne diesen Weg hinaus aus dem Jammertal ihrer irdischen Existenz.

Ostern ist auch das Fest der Vergeblichkeit allen diesseitigen Strebens und Wirkens. Bunt bemalt hängen die bunten Eierschalen am mahnenden kahlem Strauchwerk. Mir wieviel Liebe und Sachverstand hatten Hahn und Henne gerade hier ihre Embyos plaziert. Doch dann kam der Mensch, und blies sie einfach fort. Eitel ist alles Streben nach irdischer Glückseeligkeit, daran soll uns das Osterfest erinnern. Auch die Tage der in dieser Zeit in die Welt entlassenen Lämmer sind längst gezählt. Der Duft des frischen, taubenetzten Grases wird schon bald eingetauscht gegen den tranigen Brodem einer Gyrosbude, in der der griechische Scharfrichter unbarmherzig mit kreischender Kettensäge an den geschichteten Lenden der Lämmer entlang fährt. So ist Ostern ein einziger Opfergang für unserere Brüder und Schwestern aus dem Tierreich. Allein der Hase so scheint es, kommt ungeschoren davon. Selbstlos bringt er die Eier zu den Menschen, damit den Feiertagen im Wiederschein des gestiegenen Cholesterinspiegels zusätzlich Glanz verliehen wird. Doch auch für diesen harmlosen Kurier liegt das Trinkgeld längst bereit.

Heimgekehrt von den anstrengenden Botengängen, drücken sich die Hasen in die mulmige Sasse um ein wenig zu Entspannen. Die Menschen, denen sie so viel Gutes getan, werden sie nun wohl nicht behelligen. Doch da täuscht sich der Mümmelmann.
Zwar hält der Weidmann seine Wumme noch im Zaum, doch ein Andererer steht längst bereit:
Es ist der wetterwendische Landwirt, der mit gezücktem Mähbalken dem ersten Frühjahrsschnitt entgegen sabbert. Und wird der Halm gestutzt, so erhält auch Meister Langohr eine neue Frisur, nach deren eigener Facon er selig werden kann.


(Autor: Dietmar Wischmeyer)