Dietmar Wischmeyer

Ich sage JA zur Maul- und Klauenseuche

Es wird heiß in der gemischten Fauna. Vorerst nur im schnöden Albion brennt die Heide und mit ihr das ein oder andere Hunderttausend Gefangene aus den Buchten und Koben. Doch dies ist erst der Anfang des schnellen Abschieds von der freßbaren Tierwelt. Solange Sibirischer Tiger und Pandabär den Arsch zukniffen, verschreckte es bestenfalls die Sensibelchen. Nun hat auch das Nutzvieh keinen Bock mehr, den verwarzten Planeten mit uns zu teilen. Kann man es ihm verdenken? Das Zeug, das man früher Luft nannte, ist ein Gemisch aus Autoabgasen und Rinderfürzen, die Gegend dadrunter mehr oder weniger Gewerbegebiet. Da sagt sich doch der mündige Großsäuger: "Wißt Ihr was, Ihr Superschlauen, wir machen jetzt hier den Sittich und wenn Ihr andere fressen wollt, dann schiebt Euch doch den Tamagochi in die Röhre."
Und so fing das Elend an: Vor ungefähr `ner halben Million Jahre hatte der Hominide keine Lust mehr auf Müsli pflücken und ging Tiere packen. Auch wohl deshalb, weil hier auf der garstigen Nordhalbkugel müslimäßig im Winter das Licht ausging und andere Nahrung besorgt werden mußte. Die Jagd an sich ist als Freizeiß vielleicht ne Wucht- zumal die mitgeführte Gefährtin auf dem Ansitz befingert werden kann - als Broterwerb jedoch eine harte Fron. Drum überlegte sich der homo sapiens irgendwann, das Viehzeug unter Aufsicht zu stellen. Immer wenn er Hunger hatte, ging er nun auf den Hof, semmelte dem Gezähmten eins über den Brägen und machte sich die Leiche warm. Dies war der Zeitpunkt, an dem der Mensch die Ehrfurcht vor den Kollegen aus der Fauna verlor. Wer so doof ist, sich ohne Gegenwehr abmurksen zu lassen, den kann man nicht mehr ernst nehmen. Und mit der Viehzucht entstand der Rassismus in der Tierwelt: auf der einen Seite Bambi und Lassie, auf der anderen die blöde Kuh und das dämliche Schwein. In all den tausend Jahren seither ging es eigentlich nur um die Verfeinerung dieses Systems bis hin zu den entseelten Fleischproduzenten unserer Tage. Das Tier als Stapelware vegetiert abgeschottet von der öffentlichkeit in seinen Verschlägen oder wird des nachts mit Gefangenentransportern über die Autobahnen geschüttelt. Just dieser Umstand wird nun dem System zum Verhängnis, denn zusammen mit den Säugern reisen auch die Viren durch die Lande. Huckepack auf Schwein und Rind rücken sie in alle europäischen Ställe ein. Und was jahrzehntelange Demonstrationen gegen Viehtransporte nicht geschafft haben, löst sich nun ganz wie von selbst: Bald gibt es nichts mehr zu transportieren, ätsch! Und mit dem sommerlichen Grillen ist es dann auch vorbei. Schon werkeln überall die Food-Designer am neuen Fleisch aus Sojapampe oder hiesigen Feldfrüchten. Doch auf der heimischen Krume wird es eng, dort weidet schon der PKW und schreit nach Flüssignahrung. So ist das Auto zum Nahrungskonkurrenten Nummer Eins geworden mit dem wir Menschen um die Wette äsen. Das gezähmte Viehzeug brauchen wir jetzt nicht mehr und die Maul- und Klauenseuche schafft es uns vom Leib. Laßt hunderttausend Feuer lodern und uns die Relikte aus der Steinzeit in den Himmel blasen. Falls wir irgendwann noch mal sentimental werden sollten, schieben wir vorher noch die Gene in die Datenbank. Den ein oder anderen Schweinestall lassen wir noch als Museum bestehen, doch das Tier als geschundene Nahrungsquelle hat demnächst ausgedient. So schließt sich der Kreis der Menschheitsgeschichte in diesen Wochen. Nach insgesamt einer Million Jahre Leichenschmaus und davon zehntausend Jahren zahme Tiere fressen, betritt der homo cerealis wieder den Schauplatz der Geschichte. Currywurst und Zigeunerschnitzel liegen im Museum of Modern Arts, und die BIFI erscheint nicht mehr obszön weil sie aussieht wie ein deckbereiter Hundepimmel, sondern ihres gruseligen Namens wegen. In wenigen Jahren werden wir sagen: "Wißt Ihr noch damals, die Maul- und Klauenseuche als überall die Felder brannten und endlich Schluß war mit dem Wahnsinn in den Ställen." Doch die meisten werden auch noch den Geschmack eines saftigen Rindersteaks in Erinnerung behalten und sehnsüchtig ans Jahr 2001 zurückdenken, als alles irgendwie noch reparabel erschien.


(Autor: Dietmar Wischmeyer)
Nachrichten aus der neuen Mitte
(erschienen als Text in Zitty, Berlin)